Der Rollout des neuen Instagram-Designs hat viele von uns verwirrt (mich eingeschlossen). Nichts ist mehr wie vorher! Naja ok, ganz so schlimm war es dann doch nicht, und wie so oft haben wir uns in Windeseile an das neue Startbildschirm-Design gewöhnt. Vielleicht liegt es am neuen Design, in dem der Shopping-Button ins Auge springt, vielleicht aber auch an der Weihnachtszeit, die unweigerlich mit Konsum in Verbindung steht – jedenfalls fällt auf, dass der Anteil an Werbung und Produktplatzierungen steigt. Und zwar geht es in diesem Beitrag nicht um Paid Content, also bezahlte Werbeschaltungen in Stream & Postings. Auch nicht um Kooperationen von Influencer*innen, die mit viel Aufwand umgesetzt und entsprechend gekennzeichnet werden. Sondern um die Erwähnung und Verlinkung von Produkten, die von den eigentlichen Inhalten ablenken.

Instagram ist das neue Teleshopping

Es fällt immer mehr bei Instagram Stories und Postings von lieb gewonnenen Accounts auf: Kaum eine aufwändig gestaltete Story kommt ohne Hinweise auf die darin vorkommenden Produkte aus, auch wenn es sich um gar keine bezahlte Kooperation handelt. Da steht zum Beispiel nach einer Story von der gerade montierten Weihnachtsbeleuchtung: „Oh, euch interessiert diese Lichterkette? Ich hab sie euch verlinkt, damit ihr sie kaufen könnt“

Oder auch solche Stories kennt man:
„Bevor wieder jemand fragt – diesen Pullover habe ich vor 5 Jahren am Flohmarkt gefunden und kann ihn daher nicht verlinken“
„Dafür hab ich keinen Rabattcode, weil ich es privat gekauft habe“

Das kann die Botschaft eines Inhalts zunichte machen, weil die Aufmerksamkeit einer ganz anderen Sache zugewandt wird: dem Einkaufen. Es ist aber für User*innen auch praktisch, dass die erwähnten Produkte gleich verlinkt sind und sofort erstanden werden können. Da ist es natürlich kein Zufall, dass Instagram vom Kuchen mitschneiden will und den Shopping-Button am Startbildschirm prominent platziert hat. Die Dynamik erinnert an Teleshopping (falls das noch jemand kennt): Einschalten, um einzukaufen.

Produktplatzierungen verdrängen Content

Natürlich bietet das Ganze Mehrwert für User*innen: sie müssen sich nicht selbst schlau machen, recherchieren und Produkte auswählen. Gerade Accounts, denen man schon lange folgt, verbindet man mit einer gewissen Glaubwürdigkeit. Wenn die Lichterkette von Account xy gelobt wird, muss das ein gutes Produkt sein. Die Guides-Funktion auf Instagram bietet noch mehr Überblick (und verlagert den Content noch stärker auf die Plattform, weg von beispielsweise Blogs) und damit Möglichkeiten, Produktempfehlungen zu platzieren.

Warum das zum Problem werden kann? Der eigentliche Content rückt in den Hintergrund der Wahrnehmung und verliert an Bedeutung. Vielleicht wollte der oben erwähnte Weihnachtsbeleuchtungs-Fan einfach das heimelig aussehende Wohnzimmer herzeigen und darüber reden, wie die Weihnachtszeit mit der Familie verbracht wird? Das Erwähnen von Marken, Verlinken von Produkten und Zurverfügungstellen von Rabatt-Codes kann solche Botschaften vergessen lassen.

Produkte statt Content?

Wir nutzen Instagram zum Posten von Bildern und Videos, um uns zu informieren, auszutauschen und (spätestens seit es Instagram Stories gibt) einen Blick in die Lebens- und Arbeitswelten von Menschen zu bekommen. Wir nehmen die Geschichten und Erzählungen wahr, fiebern, leiden und freuen uns mit und fühlen uns dadurch den betreffenden Personen hinter den Accounts ein Stück weit näher.

Creators müssen abwägen: Will mein Publikum Inhalte sehen oder eigentlich Produkte? Und: Stört es mich, dass es in die eine oder andere Richtung geht? Sie haben es weiterhin selbst in der Hand, ihre Inhalte so zu gestalten, dass es ihnen selbst weiterhin Freude bereitet und der ursprünglichen Intention des Accounts entspricht.

User*innen wiederum könnten überlegen, was ihnen wichtiger ist: Hilfe bei Kaufentscheidungen oder der Fokus auf Storytelling. Beides ist legitim und bis zu einem gewissen Grad miteinander vereinbar. Spätestens beim nächsten Startseiten-Update von Instagram wissen wir, wohin die Reise geht.

PS: Ein Thema wurde in diesem Beitrag bewusst ausgeklammert: Die Frage, ob all die Produkte, die wir auf diese Weise nachgekauft haben, wirklich gebraucht haben. Oder wären wir ohne die Postings, ohne Voyeurismus gar nicht erst auf die Idee gekommen, diese Dinge zu erstehen?

 

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